Jugend Weltmeisterschaft

Team Deutschland:

Mannschaft:  Simon Striegel, Moritz Leibelt, Tehina Anania, Manuel Strokosch

Trainerteam, Coaches:  Gudrun Deterding, Bernd Wormer

Delegationsleiter:  Raymund Meier

 

Nach der offiziellen Mannschaftsvorstellung mit Einmarsch der kompletten Mannschaften aus 32 Nationen wurden am Freitag nach dem Zeitplan pünktlich um 14.30 Uhr die Spiele der Vorrunde begonnen.

 Spiel 1 am Freitag gegen Canada:

Mannschaftsaufstellung: Simon, Tehina, Manuel

Nach einem sehr offensiven Beginn (4:0, 5:0) wird nach der 2. Aufnahme die Taktik geändert, indem auf eine Gegnerkugel, 25cm hinter dem Cochonnet, nicht geschossen, sondern versucht wird, mit einer Legekugel zu parieren. Sofort kommt man mit der 1. Kugel, die verlegt wird unter Druck, so dass auch die 2. Kugel nicht kommt. Der folgende Schuss geht daneben und der gestiegene Druck sorgt zwangsläufig für das zweite Loch. Gleich erkennt der Gegner Schwächen und ändert seine Taktik umgehend, indem er offensiv weiterspielt. Das Spiel scheint zu kippen und Unsicherheit macht sich breit. Der fehlende Impuls, um die Mannschaft aus ihrer Unsicherheit zu befreien, wird mit der Einwechslung von Moritz erreicht, der mit seiner sachlichen und ruhigen Art und 2 genial gelegten Kugeln den Gegner wiederum unter Druck setzt, so dass die Mannschaft endlich wieder ihr eigenes Spiel aufnehmen kann. Danach wird wohl die Chance zum Ausmachen nicht konsequent genug genutzt, aber trotzdem schließlich nach Ablauf des Zeitlimits das 13:12 nach dem letzten Cochonnet-Wurf erreicht.

Spätestens ab hier war jedem im deutschen Team klar: Ohne Arbeit kein Erfolg – es ist eine WM und wird sicher kein Selbstläufer!

Spiel 2 am Freitag gegen Frankreich:

Mannschaftsaufstellung: Simon, Tehina, Manuel


Frankreich spielt nahezu ohne Fehler. Sehr früh im Spiel ist bereits zu erkennen, dass in deren heutigen Verfassung (besonders im Legen) und der noch fehlenden Konstanz im eigenen Spiel, die Franzosen heute wohl nicht zu knacken sein werden. Sofort ist das Trainerteam sich einig, die Energie nicht weiter für dieses Spiel zu vergeuden und geben raus, dass wir sie zumindest mal ganz heftig ärgern wollen – unsere Zeit kommt noch. Durch die folgende lockere Spielweise hat die Mannschaft allerdings gezeigt, dass sie unter ausgeglichenen Bedingungen an einem anderen Tag, den „übermächtigen“ Franzosen durchaus eine Niederlage beibringen können. Der Spielausgang mit 13:2 für die Franzosen spiegelt in keinster Weise den Verlauf des Spiels wieder.

Auch den französischen Coaches ist augenscheinlich aufgefallen, wie schnell ihr vermeintlich sicher geglaubtes Spiel durch einen kleinen Fehler umgehend kippen und verloren gehen kann – zumindest die heftige Standpauke, die die Spieler anschließend über sich ergehen lassen müssen, zeigt deutlich, dass auch die Franzosen künftig nicht völlig unbedarft in ein Spiel gegen Deutschland gehen werden.

 Spiel 3 am Samstag gegen Libyen:

Mannschaftsaufstellung: Moritz, Tehina, Manuel 


Die spielerische Verfassung Libyens war eigentlich nicht schlecht, allerdings hat die deutsche Mannschaft ohne Unterlass das Spiel bestimmt, indem sie ihr offensives Spiel dem Gegner diktiert hat – Libyen sah sich zu keinem Zeitpunkt in der Lage, von ihrer Defensive abzuweichen, so dass sie während des ganzen Spiels keinen einzigen Schuss wagten. Allerdings werden von unseren Jungs viele „einfache“ Punkte liegengelassen, so dass bis 13 mühsam Punkt für Punkt gesammelt werden muss. Nichtsdestotrotz ein Spiel, das gestärkt hat!

 Spiel 4 am Samstag gegen Mauretanien:

Mannschaftsaufstellung: Moritz, Tehina, Manuel


Die deutsche Mannschaft zeigt sich sehr konsequent auf jeder Position. Mauretanien sieht sich bereits nach der 2. Aufnahme gezwungen, ihren Leger zu ersetzen. Ein kurzer Hänger im deutschen Spiel (4 Punkte abgegeben) kann aber Mauretanien nicht nutzen und zieht daraus keinen Vorteil im weiteren Spiel. Unsere Jungs nehmen ihre konsequente Spieltaktik wieder auf und ziehen dies bis zum 13:4 durch.

 Spiel 5 am Samstag gegen Schweden (mit Liveübertragung):

Mannschaftsaufstellung: Simon, Tehina, Manuel


Es ergibt sich ein sehr spannendes Spiel auf hohem Niveau, bei dem die Schweden von Beginn an davonziehen und nach der zweiten Aufnahme 0:5 führen. Durch ein konzentriertes Spiel, bei dem auch zwischenzeitlich innerhalb der Mannschaft die Positionen ausgetauscht wurden, kann man die Aufholjagd starten

Beim Stande von 9:8 für das deutsche Team erfolgt der Abpfiff. Es sind nun noch zwei Aufnahmen zu spielen. Die Schweden erreichen in der ersten Aufnahme ein 9:9. In der zweiten Aufnahme geht durch einen Schuss das Cochonnet ins Aus. Nochmals ein Anwurf, zur dritten und letzten Aufnahme. Diese Schlussaufnahme meistern die Deutschen meisterlich, siegen mit 13:9 und haben damit das Achtelfinale erreicht.

Die deutsche Mannschaft hat es wiederholt geschafft, die Nerven der mitgereisten Eltern und des Betreuerteams bis zum Äußersten zu strapazieren, weil sie immer erst dem Gegner Schnur gibt und zur Mitte des Spiels beginnt, den Siegeswillen zu mobilisieren und ihr Spiel durchzuziehen. Auch in diesem Spiel sah es zunächst so aus, als ob Schweden nicht mehr locker lassen und Deutschland nur mitspielen würde – man könnte ja auch mal wieder ein Spiel von Beginn an dominieren und nicht erst den Gegner am Sieg schnuppern lassen, um ihn dann kurz vor dem Ziel doch noch abzufangen.

Achtelfinalspiel am Samstag gegen Mauretanien:

Mannschaftsaufstellung: Simon, Tehina, Manuel


Mauretanien will die Wiedergutmachung vom Vorrundenspiel und zeigt dies gleich deutlich durch ein extrem offensives Spiel, welches die deutsche Mannschaft überrascht und auch kurzzeitig aus dem Konzept bringt. Die Angriffslust (vielleicht aber auch Arroganz oder unkontrollierter Angriff) zeigt sich deutlich, als Mauretanien in einer der ersten Aufnahmen mit ihrer letzten Kugel schießt, obwohl Deutschland noch 3 Kugeln auf der Hand hat. Es entwickelt sich ein spannendes Spiel auf allerhöchstem Niveau mit allem, was Pétanque für die Zuschauer überhaupt bieten kann. Nachdem schon einige Spiele inzwischen beendet sind, sammeln sich immer mehr Zuschauer und verfolgen mit Applaus jede gespielte Kugel der beiden Mannschaften.

Beim Stand von 12:10 für Deutschland folgt die spektakulärste Spielszene der WM überhaupt: Mauretanien legt eine zwingende Kugel vor, Manuel antwortet mit Carreau; Mauretanien legt abermals ans Cochonnet und Manuel entsorgt wiederum mit Carreau; so geht das Spiel weiter; Mauretanien legt – Tehina entsorgt; Mauretanien legt wieder und Tehina entsorgt auch diese; auch der Schießer von Mauretanien ist gezwungen zu legen, da noch keine Kugel von ihnen im Bild liegt – Simon entsorgt; Trotz hohem Druck legt Mauretanien auch ihre letzte Kugel für Punkt und bleibt neben dem Cochonnet liegen – wie selbstverständlich geht Simon in den Abwurfkreis und jeder kann sich vorstellen, was los ist, als er auch diese Kugel für den Sieg souverän und rotzfrech aus dem Bild schickt: ein klassisches Royal, der Sieg im Achtelfinale und damit der Einzug in Viertelfinale.

Die Liveübertragung, die zuvor noch für das Spiel Frankreich-Tschechien aufgebaut war, wurde während des Spiels bereits zum Deutschlandspiel geschwenkt, so dass bereits wenige Minuten nach dem Spielende die ersten Glückwünsche zu dem spektakulären Royal und zum Viertelfinaleinzug per sms bei uns eingingen.

Deutschland beim Concours de Tir de Précision:

Nachdem am Freitagmorgen Manuel die Pflichtaufgabe unter die besten 20 zu kommen, (die ersten 4 qualifizieren sich direkt für das Viertelfinale) erfüllt hat, macht er am Abend seinen Viertelfinaleinzug perfekt – er schießt sich mit 44 Punkten (darunter 5 Fünfer) als Bester der letzten 16 ins Viertelfinale.


Im Viertelfinale trifft Manuel gegen Tunesien: Nachdem er auf das erste Bild des Wettbewerbs (Schuss auf die einzelne Kugel) keinen einzigen Treffer verbuchen kann, macht er im folgenden Bild gleich 2 mal 5 Punkte – endlich im Wettbewerb! Mit 29:16 qualifiziert er sich schließlich für das Halbfinale  – gegen Rizzi Diego aus Italien.

Natürlich sucht man nach einem verpatzen Weiterkommen nach plausiblen Gründen, warum dies jetzt so ist – aber im Halbfinale gegen Italien ist für jeden deutlich sichtbar, dass Manuel völlig ausgebrannt in den Wettbewerb geht, nachdem der Achtelfinalknaller gegen Mauretanien gerade mal 10 Minuten um ist und er ohne sich richtig erholen und vorbereiten zu können gleich umschalten muss. Italien zieht schließlich ohne spürbar mögliche Gegenwehr von Manuel ins Finale ein.

Es ist eine Weltmeisterschaft – ein 3. Platz ist auch für Manuel und Deutschland als Erfolg zu werten!

 

Viertelfinale am Sonntag gegen Algerien:

Mannschaftsaufstellung: Moritz, Tehina, Manuel


Nach einem völlig verkrampften Beginn kann die Mannschaft erst beim 3 : 10 für Algerien (!) an die Euphorie des vergangenen Tages anschließen und startet eine konsequente Aufholjagd, die nach Meinung der Zuschauer ihres Gleichen sucht. Da die deutsche Mannschaft augenscheinlich kein Spiel ohne ein spektakuläres Ende abschließen will, kommt es auch hier wieder zum Nervenspiel, unter dem allerdings hauptsächlich die Zuschauer und das Betreuerteam zu leiden haben: Beim Stand von 11:10 für die deutsche Mannschaft liegt, nachdem Algerien keine Kugeln mehr auf der Hand hat, die deutsche Kugel auf eins und Algerien auf zwei. Tehina hat noch 2 Kugeln auf der Hand und Manuel noch eine. Tehina versucht den noch fehlenden Punkt zu legen, drückt aber (um es vielleicht noch ein bisschen spannender zu machen) dabei die Gegnerkugel auf eins. Als ob er diese Kugel „zurechtgelegt“ hätte, geht er aus dem Kreis und überlässt Manuel die Schluss-Szene, der völlig selbstverständlich die Gegnerkugel mit Carreau aus dem Bild entsorgt. Kommentar von Manuel: „Die musste weg.“

 Halbfinale am Sonntag gegen Tunesien:

Mannschaftsaufstellung: Moritz, Tehina, Manuel


Das Ergebnis (13 : 12) spiegelt mehr als deutlich die Ausgeglichenheit und die Spannung des Spiels wieder, auch wenn es nach der fünften Aufnahme 0:9 gegen Deutschland steht. Beide Mannschaften schenken sich nichts und die Wichtigkeit des Spiels speziell für Tunesien wird auch dadurch deutlich, dass sich sämtliche Arabische Mannschaften direkt am Spielfeld versammelt haben und dadurch Druck auf die deutsche Mannschaft signalisieren. Das deutsche Team behält abermals die Nerven, zeigt Moral und Kampfeswille und holt über ein 3:9 zum 7:9 auf. In der nächsten Aufnahme erspielen sich die Tunesier 3 Punkte und es steht 9:12.

Dankenswerter Weise haben die deutschen Spieler ein Einsehen, und beantworten meine Bitte, endlich das Ding durchzuziehen und Schluss zu machen, weil ich die ganze Arabische Welt feindlich gesinnt im Rücken spüre. Die Botschaft kam rüber, es gelang den Jungs 5 Punkte zum 12:12 zu machen und in der nächsten Aufnahme endlich mit dem 13. Punkt zu erlösen.

Unbeschreibliche Emotionen lösen sich erst innerhalb des gesamten Teams und dann schließlich für jeden Einzelnen – nachdem alle Glückwünsche entgegengenommen und sämtliche Umarmungen abgehandelt sind, strömen sämtliche 7 Teammitglieder wie bei einer Explosion auseinander, um für sich selbst das eben erreichte zu realisieren und zu verarbeiten. Wer von uns behaupten würde, in dem Moment keine Tränen weggedrückt zu haben, kann nicht ganz ehrlich sein.

Finale am Sonntag gegen Thailand:

Mannschaftsaufstellung: Moritz, Tehina, Manuel

Nicht ohne Grund haben sich selbst die Franzosen, trotz ihrer meist perfekten Trefferquote, gegen Thailand die Zähne ausgebissen: Mit einer stoischen Ruhe, fast ohne sichtbare Emotion und mit einer beinahe schon militärisch perfekten Präzision beginnen sie das Spiel. Trotz sämtlicher Versuche der Deutschen Mannschaft, endlich das Cochonnet zu gewinnen, um vielleicht mit einer Distanz- oder Richtungsänderung eine Wende einzuleiten, die Thailänder lassen nicht mehr locker und der deutschen Mannschaft keinerlei Chance, endlich ihr eigenes Spiel diktieren zu können. Auch wenn sich Deutschland nicht ergeben will und auch nicht aufgibt, zieht Thailand unermüdlich ihr Legespiel weiter durch und sorgt mit jeder Kugel erneut für Druck und zwingt uns zu Fehlern, die sie wiederum gnadenlos nutzen. In nur wenigen Aufnahmen muss sich Deutschland geschlagen geben und anerkennen, dass die heute definitiv beste Mannschaft Weltmeister ist: Thailand.

Trotzdem sind wir uns alle einig und keineswegs enttäuscht: Den Vizeweltmeistertitel haben wir verdient und den nimmt uns keiner mehr!

Tehina Anania, Moritz Leibelt, Manuel Strokosch, Simon Striegel

Persönliche Anmerkung:

Für mich war das Ziel, einen Platz auf dem Treppchen zu holen, nur ein Aspekt vor der Teilnahme an dieser Weltmeisterschaft.

Meine Zielsetzung war in erster Linie, aus einem Haufen von Individualisten ein homogenes Team zu formen und dieses Team auch während der gesamten Reise weiter zusammenzuhalten, denn nur so definiert sich meiner Meinung nach auch ein Erfolg und gipfelt im Bestfall auch mit einem Titel.

Sowohl beim Vorbereitungslehrgang in Düsseldorf als auch kurz vor und während der WM hat sich das komplette Team, das sich nach meiner Auffassung aus (in unserem Fall) 7 Personen zusammensetzt, immer als Team gezeigt – und zwar nicht, weil es im Vorfeld so bestimmt wurde, sondern weil sich einfach jeder Einzelne von sich aus als Teil darin wohl gefühlt hat. Ob es die 4 Spieler waren, die man in nur ganz seltenen Fällen außerhalb von dieser Vierergruppe angetroffen hat, oder ob es das Betreuerteam war, das immer alle Entscheidungen und Vorgehensweisen gemeinsam miteinander besprochen und gestaltet haben – Deutschland hat sich auf dieser WM tatsächlich als Einheit vom ersten bis zum letzten Tag gezeigt.

Bernd Wormer, Raymund Meier, Gudrun Deterding

Auch wenn die WM von allen 7 eine riesige Energieleistung abverlangt hat, war selbst auf der Heimreise die Stimmung genial. Die Gesänge der Deutschen übertönten die ebenfalls im Bus zum Flughafen mitreisenden Holländer, die immerhin 4 Personen Überzahl hatten, um Längen, auch wenn sich der Eine oder Andere hörbar geweigert hat, die richtige Tonlage zu halten!

Ich denke, Deutschland hat bewiesen, dass es auf dem Weg ist, sich endlich in der vorderen Spitze zu etablieren.

 Bernd Wormer